Ich verwende das Wort »Ballade« nicht im Sinne von ’Ein langsames, getragenes Lied, bei dem die dicke Diva ihre ganze Stimmgewalt entfalten kann und ganz viele Feuerzeuge im Publikum angezündet werden’, sondern so, wie ich es als Kind im Deutschunterricht gelernt habe: Balladen sind Gedichte, die eine Geschichte erzählen. Und wenn man sie singt, bleiben es doch immer noch Balladen. So sind auch in dieser Kategorie all jene Lieder versammelt, die eine Geschichte erzählen – manche mehr, manche weniger eindeutig.
Als Autor kann ich keine Kurzgeschichten schreiben – Kurztext und ich, das widerspricht sich. Und all die Grusel- und Schauergeschichten, wie ich sie liebe, seit ich mich auf Zehenspitzen auf die Klobrille stellen musste, um an die Horror-Sammlung meines Vater zu kommen, die eigentlich für uns Kinder unerreichbar sein sollte (es wäre ja nie herausgekommen, hätte ich die Geschichten dann nicht auch noch meiner kleinen Schwester vorgelesen …), konnte ich nie so schreiben, wie ich sie gerne geschrieben hätte – bis ich merkte, dass ich aus meinen Gespenstergeschichten immer noch Balladen machen kann.
Aus meiner Kindheit herübergerettet habe ich mir ein Vergnügen an allem, was makaber ist. Zwar fließt bei mir relativ wenig Blut – ich war in meiner Zeit beim Jugendrotkreuz regelmäßig als Hilfskraft beim Blutspenden im Einsatz, so dass Blut für mich per se ohne Schrecken ist – aber es wird doch gern und viel gestorben in meinen Balladen. Das Böse triumphiert, wenn ihm nicht kurz vorm Schluss von etwas noch Böserem ein Bein gestellt wird, und über allem thront ein lachender Tod.
Es sind diese Lieder, mit denen ich mir in der Filkcommunity einen Namen gemacht habe und für die mich, den Schattenwebern sei Dank, die Mittelaltermarkt- und LARP-Szene als »die Bardin Thesilée« kennt, obwohl ich selbst üblicherweise weder auf Mittelaltermärkte gehe noch larpe. Und auch wenn ich zwischendurch mal versucht habe, mich von dem Image der fröhlich klappernden Knochen zu befreien, muss ich am Ende zugeben, dass ich froh bin, überhaupt für etwas bekannt zu sein und ein Image zu haben, und dieses ist sicher nicht das schlechteste. Dass ich außerdem eine hoffnungslose Romantikerin bin, sei mir gegönnt, aber wenn am Ende des Pestlieds die Ratte an Land schwimmt, habe ich mein Publikum da, wo ich es haben will.
Zu meinen Lieblingsmotiven gehören neben den üblichen Katastrophen Segelschiffe (die gerne untergehen dürfen), Wegelagerer mit und ohne Dreispitz, und Feen jeder Größe. Alles in allem sind meine Balladen Moritaten in der Tradition der guten alten Tränenlieder, die unsere Eltern mit uns gesungen haben, und ich bin mir sicher, dass Zeilen wie »Man fand sie früh im Teiche / jetzt ist sie eine Leiche« mich ganz sicher maßgeblich geprägt haben.
So kommt es, dass Lieder über Romane oder Filme hier nur den allerkleinsten Teil ausmachen (im Unterschied zu Liedern, die für Romane entstanden sind) – das allermeiste sind eigenständige Geschichten, das Kürzeste, was ich in der Lage bin, abzuliefern. Und es hat schon seinen Grund, dass ich bei meinem ersten Soloauftritt das Publikum begrüßt habe mit den Worten »You’ve come to my set – prepare to die.«